60 Minuten lang hätte die Laune für die Fans des FC Schalke 04 kaum besser sein können. Die Königsblauen führten im Zweitliga-Heimspiel gegen den SC Paderborn mit 2:0, die Anhänger rechneten schon den Rückstand zu den Aufstiegsplätzen aus.
Doch in einem denkwürdigen Achterbahn-Schlussspurt geriet S04 zunächst mit 2:3 in Rückstand, bevor Keke Topp noch zum 3:3 (1:0)-Endstand ausglich. An den Aufstieg denkt zwar niemand mehr, im Abstiegskampf ist der Punkt wichtig.
Schalke-Trainer Karel Geraerts hatte auf die Strategie „Never change a winning team“ gesetzt und dieselben elf Spieler gebracht, die gegen St. Pauli (3:1) vor einer Woche die beste Saisonleistung auf den Platz brachten. Auch die Taktik war gleich. Frühes Angriffspressing, sehr mannorientierte Deckung. Die Botschaft an die Fans: Schalke wollte ähnlich aggressiv und offensiv auftreten.
Doch nur zwei sportliche Szenen bleiben aus der wenig unterhaltsamen ersten Hälfte in Erinnerung. Nachdem in den ersten 29 Minuten außer ein paar ungefährlichen Standardsituationen und einigen Fouls nicht geschehen war, gelang den Schalkern mit gutem Pressing ein Ballgewinn in der Paderborner Spielhälfte. Ein Schuss von Paul Seguin wurde zu Bryan Lasme geblockt, der den Ball in den Strafraum lupfte.
SC Paderborn 07: Boevink - Curda (66. Grimaldi), Musliu, Hoffmeier - Obermair, D. Kinsombi, Klefisch (80. Hansen), Zehnter - Bilbija (80. Leipertz), Kostons (80. S. Conteh), Ansah (80. Klaas)
Schiedsrichter: Robert Kampka (Mainz)
Tore: 1:0 Karaman (32./Handelfmeter), 2:0 Lasme (50.), 2:1 Zehnter (60.), 2:2 D. Kinsombi (78./Handelfmeter), 2:3 Klaas (86.), 3:3 Topp (90.+2)
Gelbe Karten: Kalas (1), Seguin (5) / Ansah (2)
Zuschauer: 61.475
Dort sprang dieser nach einem Passversuch von Kenan Karaman gegen den Arm des Paderborners Florent Biblija - jedenfalls nach Auffassung von Schiedsrichter Dr. Robert Kampka, der sofort auf den Elfmeterpunkt zeigte. Auch der Videoassistent sah das so, die Paderborner protestierten. Karaman war‘s egal, er schoss den Ball lässig in die Mitte des Paderborner Tores zum 1:0 (32.). Für Karaman war es das neunte Saisontor, zum vierten Mal in Folge traf er in einem Heimspiel.
Angedeutet hatte sich die Führung vor 61.475 Zuschauern in der ausverkauften Arena nicht, die Spielanteile waren ausgeglichen, beide Defensivreihen dominierten. Die Paderborner enttäuschten, sie kamen erst in der sechsten Minute der Nachspielzeit in der ersten Hälfte gefährlich vor das Schalker Tor. Nach einem Querpass von Raphael Obermair stand Filip Biblija im Strafraum frei, traf den Ball aber nicht richtig und schoss ihn in die Arme von Schalke-Torwart Marius Müller. Direkt danach bat Schiedsrichter Dr. Robert Kampka zur Pause, von den Fans gab es für eine disziplinierte, aber keine herausragende Leistung Applaus. Die zweite Hälfte wurde ab der ersten Sekunde ganz anders als die erste. Zunächst kontrollierte Schalke weiter das Spiel, Tomas Kalas vergab nach einer Ecke eine Chance, schoss drüber (49.), zwei Minuten später schlenzte Derry Murkin den Ball aus der eigenen Hälfte in den Lauf von Bryan Lasme, der wegen seiner nicht immer glänzenden Technik oft kritisierte Stürmer blieb cool und schlenzte den Ball zur 2:0-Führung ins Tor. Ruhe auf Schalke? Eine sichere Führung? Nein, denn nach dem zweiten Gegentor ging ein Ruck durch die Paderborner Mannschaft, die nun für rund zehn Minuten aufdrehte und Schalke im eigenen Strafraum einschürte. Verpasste Biblija den Ball zunächst noch um Zentimeter (53.) und ging Koen Kostons‘ Versuch mit der Hacke knapp vorbei (57.), machte es Aaron Zehnter in der 60. Minute besser. Der Schalker Yusuf Kabadayi wehrte eine Flanke ab, Zehnter nahm den Ball aber direkt und zirkelte ihn zum Anschlusstor in den Winkel des Schalker Tores.
Danach entwickelte sich ein offenes Spiel mit mehreren strittigen und gefährlichen Szenen. Den ersten Knalleffekt lieferte Paul Seguin, der eine Ecke direkt an den Pfosten schlenzte (67.). Zwischen der 73. und 76. Minute musste Videoassistent Günter Perl zweimal eingreifen, zweimal entschied er zum Nachteil von Schalke. Zunächst untersuchte er ein vermeintliches Foul von Kai Klefisch an Simon Terodde im Paderborner Strafraum. Doch es gab keinen Elfmeter. In der 76. Minute war das anders: Beim Versuch, einen Schuss abzuwehren, prallte Schalkes Tomas Kalas der Ball gegen die Hand - Elfmeter. David Kinsombi schoss den Ball in die linke Ecke, S04-Torwart Marius Müller hätte den schwachen Schuss fast abgewehrt. Doch es stand 2:2.
Auf Sieg spielten danach nur noch die Paderborner, für die Schalker ging es nur noch darum, einen Punkt zu sichern. Doch nicht einmal das gelang. In der 86. Minute verlor Derry Murkin den Ball und zwei Paderborner Joker nutzten das aus: Robert Leipertz passte auf Sebastian Klaas, der drei Schalker aussteigen ließ und den Ball ins Tor schoss. Die Paderborner Bank rannte auf den Platz, der SCP wähnte sich zurück im Aufstiegsrennen. Doch Schalke gab nicht auf. In der zweiten Minute der Nachspielzeit tankte sich der eingewechselte Keke Topp im Paderborner Strafraum durch und schoss das umjubelte 3:3 - so langweilig der Fußballtag angefangen hatte: Er wurde am Ende spektakulär.